Ostsee-Herbsttörn 2017 – Das perfekte Welle-Wind-Wetter-Segelerlebnis

Es ist November, die kalten Tage nehmen zu und  die Temperaturen ab. Wer denkt da noch über ein Segeltörn in den nördlichen Breitengraden der deutschen Küstengewässer auf der Ostsee wirklich ernsthaft nach.  Und doch gibt es sie:  Fünf Seglerinnen und Segler der GTV-Segelabteilung haben sich diesen jahreszeitlichen Herausforderungen eine Woche lang ab dem 04. November 2017 gestellt.

Die Crew mit Evi, Ewald, Klaus-Jürgen und Michael unter der Leitung von Skipper Markus sind allesamt Mitglieder der erst 2016 neu gegründeten Segelabteilung der großen GTV-Familie. Bei dem von Markus organisierten Segeltörn geht es um eine Bootsüberführung von Flensburg nach Rügen in das dortige Winterquartier. Sechs spannende und erlebnisreiche Tage auf See stehen auf der Wunschliste der Crew. Was daraus geworden ist, lässt sich vielleicht am besten mit einem Erlebnisbericht von Bord der 40-ft Yacht „Charly Kraut“ beschreiben.

Mit „kleinem“ Handgepäck machen wir uns mit dem Zug Richtung Flensburg auf den Weg. Im Hafengelände von Niro Petersen liegt die Bavaria-Yacht so ziemlich allein am Steg. Nur wenige Boote liegen noch im Wasser. Die Übergabeformalitäten mit dem Vercharterer sind schnell  erledigt. Ab jetzt trägt der Skipper mit seiner Crew die Verantwortung für das Schiff. Mit von der Partie sind erfahrene Seglerinnen und Segler und nur einer ist dabei, um zu Lernen.

Und bevor überhaupt an das Ablegen gedacht werden kann, heißt es: Bunkern für eine Woche in sämtlichen Formen fester und flüssiger Lebensmittel. Am Ende der Einkaufstour stehen zwei prall gefüllte Einkaufswagen vor der sichtlich beeindruckten Kassiererin. Befürchtungen, dass wir unseren Appetit vielleicht überschätzt haben könnten, sollten sich im Nachhinein nicht bestätigen. Nachdem alles verstaut und sich alle auf dem Schiff eingerichtet haben, geht es vor dem ersten Seetag  noch schnell auf eine nächtliche Erkundungstour  in die Flensburger Altstadt.

Tag 1 – Flensburg – Bagenkop/Langeland (Dänemark)

Nach einer Sicherheitseinweisung und mit den aktuellen Wetterdaten versehen gibt Markus gegen 7:30 Uhr das Kommando zum Ablegen. Bei bewölktem, aber trockenem Wetter und Temperaturen von 10 Grad Celsius geht es zunächst bei schwachem Wind unter Motor durch die Flensburger Förde.

Leuchturm Kalksgrund – Flensburger Förde

Gegen Mittag frischt der Wind aus Süd-West kommend auf; Zeit zum Setzen der Segel.

Schnell sind Großsegel und Fock in Position und der Rudergänger  nimmt östlichen Kurs Richtung Hafen Bagenkop/Insel Langeland/Dänemark. Nach 51 Seemeilen (sm) ist das Tagesziel um 19:15 Uhr erreicht. Das nächtliche Anlegemanöver und die steife Brise verlangt von allen höchste Konzentration. Alle Crewmitglieder haben dabei  ihre zuvor festgelegten Aufgaben fest im Blick. Alles klappt gut und wir liegen – wie nicht anders zu erwarten – allein im Hafenbecken, gut vertäut.  Ein Restaurantbesuch muss leider ausfallen, mit Gästen rechnet man um diese Jahreszeit wohl eher nicht mehr. – Also ist die Bordküche gefragt. Schnell packen alle unter Leitung von Evi mit an und schon bald steht ein schmackhaftes Nudelgericht auf dem Tisch. Das obligatorische „Anlege-Bier“ ist schon fast vergessen, als noch für ein wenig Nachschub an diesem Abend gesorgt wird. Es folgt die erste Nacht an Bord, das Eingewöhnen an den Wellenschlag an der Bordwand, den Windgeräuschen der Takelage. Für die erfahrenen Segler/-innen alles nichts Neues, für den „lernenden Segler-Neuling“ aber  sind dies neue und spannende Erfahrungen.

Tag 2 – Bagenkop – Heiligenhafen

Im Morgengrauen im Hafen von Bagenkop.

Ausgeschlafen und guter Stimmung nach dem morgendlichen Frühstück mit frischen Brötchen vom Bäcker legen wir bei sonnigem Wetter um 9:15 Uhr ab und nehmen bei  Wind aus W/NW-Kurs auf Heiligenhafen. Wechselnde Windrichtungen  machen im Laufe des Tages mehrere Kursanpassungen notwendig. Nach 31 sm unter Segel von insgesamt 39 sm erreichen wir am späten Nachmittag das Fahrwasser  Heiligenhafen. Die von einer Landzunge abgedeckte lange Hafenzufahrt  bietet uns ein  spiegelglattes Fahrwasser. Wo sich in der Saison bis zu 1.000 Segelyachten befinden, haben wir jetzt die freie Auswahl am Steg. Wir genießen die Abendstimmung und auch trotz der kühlen 8 Grad das „Anlege-Bier“ an Deck. Im Hafenkontor ist man auch hier nicht wirklich noch auf ankommende Segler eingerichtet. Deshalb heißt es improvisieren. Mehr Glück haben wir bei der Restaurantsuche. Markus hat ein Tisch vorbestellt und das war auch gut so. Mächtig was los an einem Montag  Abend in Heiligenhafen.

Tag 3 – Heiligenhafen -Kühlungsborn

Die Nacht war kalt, Raureif liegt über den Bootsstegen.  Es ist sonnig, blauer Himmel und nur die eifrig kreischenden Möwen unterbrechen die ruhige  Stimmung im Hafen. Bloß der Wind will nicht so recht aufkommen. Also bietet uns der Skipper an, einige Manöver im Hafengelände zu unternehmen. An-/Ablegen, rückwärts in die Box etc. sind die angebotenen Übungseinheiten  incl. Fehleranalyse, wenn sie denn gemacht werden. Dann heißt es aber gegen 9:30 Uhr raus aus dem Hafen über das betonnte Fahrwasser auf die offene  See.

Die Fehmarnsundbrücke im morgendlichen Nebel.

Der Kurs führt uns durch die noch im Morgendunst eingehüllte Fehmarnsund-Brücke. Der nur mäßige Wind hat sich inzwischen eingestellt und erlaubt ein entspanntes Segeln. Die einen tauschen sich in  seemännischen  Themen aus, die anderen lesen ein Buch oder lassen einfach die Gedanken schweifen und genießen ein Nickerchen in der Sonne. Langweilig wird es eigentlich nie auf See. Als der Wind an diesem Nachmittag wieder abschwächt, bleibt der Crew nur die Fahrt unter Motor übrig, um das angepeilte Tagesziel Kühlungsborn zu erreichen.  Weit nach Einbruch der Dunkelheit laufen wir nach 41 sm gegen 19:30 Uhr in den  fast bootsleeren Hafen ein.  An der Strandpromenade entdecken wir einige noch offene Restaurants mit vielen tollen Fischgerichten im Angebot. Da haben wir dann mal so richtig zugegriffen;  Motto: Fisch zum Sattessen.

Tag 4 – Kühlungsborn  – Rostock

Der Blick auf die Wetterkarte stimmt die Crew zuversichtlich, dass der nächste Streckenabschnitt unter guten Segelbedingungen angegangen werden kann.

Einfach gute Segelbedingungen

Eingepackt in warmer Segelbekleidung lassen wir die kühlen Temperaturen nicht an uns heran. Noch immer ist das Wetter auf unserer Seite. Die Crewmitglieder übernehmen im Wechsel  Ruder,  Ausguck halten, Navigationsaufgaben und die ansonsten noch anfallenden Arbeiten z. B. in der Bordküche. Es ist Teamgeist und Teamarbeit gefordert. Das alles schweißt zusammen. Mit SO-Wind der Stärke 3 – 4 Beaufort (Bft) nehmen wir Kurs auf die Ansteuerungstonne des Fahrwassers Rostock. In der Annäherung auf das Fahrwasser nimmt der Seeverkehr zusehends zu. Mit den großen Schiffen der Fährlinien nach Dänemark, Schweden oder Finnland stehen wir in Sichtkontakt. Jetzt gilt

es, die Schiffsbewegungen der Berufsschifffahrt aufmerksam im Auge zu behalten  und die Ausweich-/Vorfahrts-/ oder Wartepflichten nach den Regeln der Seeschifffahrtsstraßenordnung zu beachten. Dies alles aber ist für die erfahrenen Segler/-innen an Bord leicht zu händeln.  Wir passieren Warnemünde und laufen – früher als an den Tagen zuvor – gegen 16:30 Uhr in den Stadthafen Rostock ein.  Der Abend gehört der Altstadt, wo Einwohner und Gäste sich gerade an der bunten Vielfalt der  Rostocker Lichterwoche erfreuen können. Gut gestärkt geht es dann später zurück aufs Schiff.

Tag 5 – Rostock – Hafen Vitte/Rügen

Die Kursplanung für diesen Tag ist Richtung Stralsund angesagt. Bis dahin steht eine lange Wegstrecke an. Deshalb ist frühes frühstücken und noch früheres Aufstehen angesagt. Gesagt -getan: Es ist 7:10 Uhr, die Crew ist startklar und es heißt wieder einmal  „Leinen los“. Die Ausfahrt aus dem morgendlichen Fahrwasser  bietet noch einmal einen schönen seewärtigen Blick auf die Stadt und die Uferbereiche. Der Wetterbericht sagt für heute SO-Wind in Stärke 3 – 4, zunehmend 5 Bft. voraus. Mit Blick auf das heutige Tagesziel bedeutet das Raumschotkurs. Schiff und Crew werden kräftig bewegt und wir machen mit bis zu 9 Knoten gut Fahrt über Grund. Doch dann ein Hinweis über GPS, dass im Bodden-Fahrwasser Stralsund Baggerarbeiten durchgeführt wurden mit der Folge, dass nicht sichergestellt werden kann, dass die Begrenzungstonnen noch an den in der Seekarte verzeichneten Positionen stehen.

Gute Navigation gehört zu jedem Segeltörn dazu

Ein Funkspruch mit Stralsund Traffic kann die Zweifel an dem gefahrlosen Befahren des Fahrwassers nicht ausschließen. Deshalb muss Skipper Markus umplanen und wir nehmen nordöstlichen Kurs und laufen nördlich von Hiddensee in das Boddenfahrwasser mit Kurs auf den Hafen Vitte ein. Die im offenen Gewässer stürmische See  lässt sich dann unter der Landabdeckung Hiddensee trotz hereinbrechender Dunkelheit mit der notwendigen GPS-Navigation gut befahren. Doch es wird in Streckenführung und Zeit mit insgesamt 64 sm ein langer Tag. Erst um 19:15 Uhr erreichen wir den Hafen Vitte. Den Abend verbringen wir in gemütlicher Runde an Bord. Alternativen an Land fehlen eben zu dieser Jahreszeit.

Tag 6 – Hafen Vitte – Hafen Breege/Rügen

Die Nacht über hat es kräftig geweht. Für heute Vormittag ist eine Sturmwarnung mit Windgeschwindigkeiten bis zu 80 km/h vorhergesagt. Im geschützten Boddengewässer aber kein Problem. Es ist der letzte Segeltag –  nur noch ca. 10 sm bis zum Zielhafen Breege. Was wir erleben dürfen, ist an diesem Morgen ein prächtiger Sonnenaufgang in aufregenden, bizarren Wolkenformationen.

Die „Charly Kraut“ im Heimathafen Breege

Im Tagesverlauf verdichten sich die Wolken, aber wir kommen nahezu trocken in Breege an.  Zum Schluss und vor dem abschließenden Anlegemanöver heißt aber erst einmal Aufstoppen an der Tankstelle und volltanken. Dann nur einen kurzen Schlenker in die Anlegebox, Leinen festmachen und tief durchatmen, weil alles ein Ende hat, so wie unser schöner und erlebnisreicher Segeltörn über insgesamt 234 sm auf der herbstlichen Ostsee 2017.

 

Text und Fotos von Klaus-Jürgen